links-netz Archiv

Liebe Leserinnen und Leser, vor einigen Jahren (2019) haben wir die Webseite von links-netz aktualisiert. Doch auch die alten Seiten könnt Ihr noch aufrufen. Das geht über die Suche nach Rubriken oder aber im Archiv, das auf der Startseite rechts zu sehen ist, und zwar nach Jahren und Monaten sortiert. Darüber hinaus findet man die […]

Antipalästinensischer Rassismus im Namen der Antisemitismuskritik

von Errol Babacan und Laura Höh
Israels militärische Reaktion auf die Angriffe der Hamas im Oktober 2023 hat in Deutschland erneut eine Diskussion ausgelöst, inwiefern Kritik an Israel antisemitisch ist. Während der Internationale Strafgerichtshof auf Antrag Südafrikas ein Verfahren wegen des Verdachts auf Verletzung der Genozid-Konvention durch das militärische Vorgehen Israels im Gazastreifen eröffnet hat, wird in Deutschland schon der Äußerung dieses Verdachts mit dem Vorwurf des Antisemitismus begegnet. Der Blick wird damit von der systematischen Zerstörung des Gazastreifens und dem Vorwurf eines Genozids abgelenkt. Proteste gegen das israelische Vorgehen und die als Staatsraison deklarierte Unterstützung Israels durch Deutschland werden auf dieser Grundlage kriminalisiert und in die Nähe von Terrorismus und Islamismus gerückt.

Der Fluch des Staates, der Fluch der Menschheit

von Kai Lindemann

In den letzten Jahrzehnten hat die Sozialanthropologie enorme Fortschritte gemacht und spannende, erkenntnisreiche Monographien vorgelegt. Das ist in erster Linie der Entwicklung der Paläogenetik zu verdanken, mit der neue und alte Funde von verstorbenen Individuen bezüglich Geschlecht, Herkunft und Lebensweise präziser eingestuft werden konnten und damit alte Interpretationen widerlegt wurden. Aber auch neue digitale Techniken zur Lokalisierung bedeutender Ausgrabungsstätten haben einige spekulative Annahmen der Disziplin geschärft.

Zum aktuellen Stand der Dinge

von Karl Czasny

Im Sommer 2024 befasste ich mich unter dem Titel „Die realistische Alternative“ mit zwei möglichen Entwicklungen des Kapitalismus. Ausgangspunkt der Betrachtung dieser beiden Zukunftsbilder war die katastrophale Gegenwart der Weltgesellschaft, die ich als eine für den Kapitalismus existenzgefährdende Systemkrise beschrieb. Der Kapitalismus kann solche Systemkrisen nur durch grundlegende Veränderung der dominierenden Produktions-, Konsumtions- und Legitimationsmuster überwinden, wobei aktuell zwei ganz unterschiedliche Neugestaltungen dieses institutionell-legitimatorischen Rahmens der Kapitalverwertung denkbar sind.

Grundeinkommen und freie Kooperation statt Arbeitszwang und Arbeitsdienst.

von Ronald Blaschke

Der Artikel antwortet auf Timm Kunstreichs Beitrag mit dem Titel „Kooperation statt Alimentierung. Garantierte Grundarbeitszeit (GGA) statt bedingungslosem Grundeinkommen“ (Kunstreich 2023) und fokussiert auf die Kritik seines verkürzten Begriffs des Grundeinkommens, seine unzulängliche Wiedergabe des Konzepts des Sozialen Infrastruktur und auf die Kritik seines Konzepts der „Garantierten Grundarbeitszeit“. Auf eine emanzipatorische und transformatorische Alternative wird hingewiesen.

Mediale Konflikte um postkoloniale Studien und Antisemitismus in Deutschland

von Aram Ziai

Seit zu Beginn des 21. Jahrhunderts post- und dekoloniale Perspektiven, die sich mit dem Kolonialismus und seinen Nachwirkungen beschäftigen, in den deutschsprachigen Geistes- und Gesellschaftswissenschaften zunehmend Anerkennung fanden, wuchs – sicher auch beeinflusst von den zahlreichen postkolonialen Städteinitiativen – das Interesse der deutschen Öffentlichkeit an diesem Thema (s. Prokla Nr. 158). Dies hat sich im letzten Jahrzehnt noch verstärkt, unter anderem durch die Rezeption internationaler Debatten um Black Lives Matter und Rhodes Must Fall, aber auch durch die offizielle Anerkennung des Völkermords an den Herero und Nama seitens der BRD 2021. Der Historiker Sebastian Conrad (2022: 31) spricht von einer „Aufmerksamkeitsexplosion“ für die koloniale Vergangenheit. Parallel dazu lässt sich als Reaktion eine revisionistische Gegenbewegung beobachten, getragen von konservativen und rechten Publizist*innen, Politiker*innen und Politikwissenschaftler*innen, die mal die Befreiung vom Kolonialismus als eine Katastrophe darstellen (Stein 2015), mal eine Rekolonisierung fordern (Martenstein 2015) oder den Kolonialismus generell als eine legitime und für die Kolonisierten vorteilhafte Herrschaftsform ansehen (Gilley 2019).